Der Winter 2017/2018 war in weiten Teilen Schwedisch-Lapplands außergewöhnlich schneereich. Viele Dächer hielten den Schneemassen nicht stand und brachen ein. Immer wieder mussten Hausbesitzer in luftiger Höhe mit Schneeschaufeln Abhilfe schaffen.
Nun, ich bin kein Meteorologe, mit lediglich gefühlsbedingten Rückschlüssen in Bezug auf den Klimawandel bin ich als Laie entsprechend vorsichtig. Dass sich aber etwas verändert hat in der scheinbar heilen Welt Lapplands ist nicht mehr zu übersehen. Ich erinnere mich an Winter, die “erst” 15, 20 Jahre zurückliegen, in denen über viele, viele Wochen Temperaturen um die -20° C herrschten. Darauf war Verlass, auch auf kurzzeitige Ausreißer nach oben und unten.
Mittlerweile sind die Temperaturunterschiede innerhalb relativ kurzer Zeiträume nach meiner Wahrnehmung jedoch sehr viel stärker ausgeprägt. 1. Weihnachtstag: -38° C, 28. Dezember: -12° C, 31. Dezember: -4° C, 6. Januar: -29 ° C. Früher fast undenkbar: Sogar Tage mit Plusgraden mischen die Winterstatistik auf. Das muss in Zukunft natürlich nicht immer so sein, dafür sind die Parameter, die zum Klimawandel führen, viel zu komplex.* Doch auch befreundete samische Jäger und Rentierhirten, die nach wie vor viel Zeit in der Natur verbringen, beschreiben mir in Gesprächen Veränderungen.
Noch vor wenigen Jahren war es quasi undenkbar, dass die Rentierherden vieler Waldsami in den Wintermonaten eine Zufütterung benötigen. Der normalerweise so lockere, pulverige Schnee bereitete den Tieren keine Probleme, das unter der Schneedecke verborgene Futter freizulegen. Die ungewöhnlichen Temperaturschwankungen haben das jedoch verändert. Der Schnee taut an, festigt sich wieder und vereist. Regen fällt drauf, es folgt erneuter Schneefall, und ein weiterer relativ warmer Tag zieht nur 48 Stunden später herauf. Kurz: Die daraufhin harte und stark verkrustete Decke aus Schnee und Eis macht es den Rentieren nahezu unmöglich, das dringend benötigte Futter freizuscharren. Die extrem gut angepassten Tiere haben in diesem Fall keine Chance.
Für die Rentierhirten bedeuten die wochenlangen Zufütterungen immense Kosten, die sich aufgrund notwendiger Tierarzthonorare weiter erhöhen. Das Zusatzfutter ist nämlich für die Tiere weitaus weniger bekömmlich, als die natürlichen Ressourcen. Ich habe Fotos gesehen, auf denen Hirten im Winterwald neben ihren Tieren stehen und einen Tropf in die Höhe halten …
Die Wahrscheinlichkeiten für trockene Hitzesommer und niederschlagsreiche Winter steigen wohl. Meteorologen sprechen in diesem Zusammenhang von “Standwetter”*. Gemeint ist damit andauerndes Wetter, also Hochs und Tiefs, die sehr langsam ziehen und wochenlang bestehen bleiben können. Übertragen auf das Landesinnere des nördlichen Skandinaviens bedeutet das starke und ungewöhnlich lang anhaltende Schneefälle in relativer Wärme.
Ein unumstößlicher Grundsatz für “Wetter” ist die Tatsache, dass sich die Sonnenenergie auf der Erde unterschiedlich verteilt. An den Polen ist es kalt, in äquatorialen Regionen warm. Diese Unterschiede werden von der Luft ausgeglichen. Sie setzt sich in Bewegung – je größer die Temperaturunterschiede sind, umso schneller. In den vergangenen Jahrzehnten haben aufgrund der generellen Erderwärmung die Eisflächen der Polarregionen jedoch deutlich abgenommen. Schon kurze Recherchen zeigen, dass sich darüber weltweit Wissenschaftler und Forschungsinstitute einig sind. Die gewonnen Daten sprechen hier eine deutliche Sprache. Durch den Rückzug des Eises nehmen die Temperaturunterschiede zwischen Polarregionen und dem Äquator ab. Das schwächt die globalen Luftströmungen. Eine Folge kann das beschriebene “Standwetter” sein.
Für die wenigen Samen, die noch ausschließlich von der traditionellen Rentierzucht leben, bedeuten die klimatischen Auswirkungen eine existenzielle Krise. Nach vielen Monaten harter Arbeit fahren sie am Ende des Winters ein dickes Minus ein, wenn die Arzt- und Futterrechnungen kommen …
*Vergleiche u. a. “Sven Plöger: Der Jetstream bringt das Standwetter”, swp.de vom 23.11.2018, Autorin: Annika Schneider